Claudia Angela Ruttnig mit einer Dame im Gespräch.
Kommunikation Trennlinie

Mit Grausen denke ich an meine Dienstpläne zurück, die direkt aus der Hölle kamen. 14 Stunden am Stück zu 6 Tagen die Woche waren ganz normal und von Work-Life-Balance hatte damals noch niemand etwas gehört. Von gesetzlich geregelten Pausen übrigens auch nicht. Wer das nicht durchgehalten hat, der war eben zu schwach und konnte gleich zusammenpacken.

Zugegeben, die Zeit, von der ich schreibe liegt schon etwas länger zurück. Konkret erinnere ich mich hier an die Achtziger und Neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Ein Grund mehr einen Blick auf die Gegenwart zu werfen. Das aktuelle Schlagwort der Stunde, eben jene viel gepriesene Work-Life-Balance ist in aller Munde und so habe ich mich erneut auf Wanderung begeben, um zu recherchieren. Womöglich hat der neue Trend auch meine Branche erreicht, wer weiß.

Eine Bestandsaufnahme

Fairerweise muss ich berichten, dass in einigen Häusern tatsächlich bereits darauf geachtet wird, dass MitarbeiterInnen auf eine humane 40-Stunden-Woche kommen, plus/minus. Meistens eher plus, aber immerhin. Auch Pausen hat man fallweise eingeführt und mitunter ist es sogar schon möglich, an Sonn- oder Feiertagen frei zu bekommen.

Es gibt sie aber immer noch und nicht zu knapp. Die Betriebe, in denen Überstunden zur Normalarbeitszeit zählen, insofern auch nicht vergütet werden, und in denen die Dienstpläne gefühlt von Luzifer persönlich geschrieben werden. Und schon stecken wir wieder in der Klemme. Einerseits der Schrei nach Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde (bekannt als Work-Life-Balance) und andererseits die bittere Realität.

Da ich beide Seiten kenne, die der Angestellten sowie die der Unternehmerin, kann ich auch beide verstehen. Da sind einerseits die MitarbeiterInnen, die mit Recht ihr Recht auf ein normales Leben einfordern und dann gibt es auf der anderen Seite die ArbeitgeberInnen, die ihre Not haben, alles unter einen Hut zu bekommen. Personalkosten, humane Arbeitszeiten und dabei auch die Wirtschaftlichkeit des Betriebs im Auge zu behalten ist fast ein Kunststück. Personal kostet viel Geld und nicht jeder Laden kann es sich leisten, genügend MitarbeiterInnen zu beschäftigen.

Die, die es locker könnten, wollen es sich dafür oft nicht leisten. Doch das ist wieder eine andere Geschichte. Und dann gibt es ja noch den berühmten Fachkräftemangel, der auch nicht aus dem Nichts kommt. Und zuletzt die viel diskutierte Gen Z, die angeblich nicht mehr arbeiten will, zumindest nicht in dem Ausmaß, wie einige das gerne hätten und lange auch gewöhnt waren. Wie gesagt, in meinen Zwanzigern und Dreißigern wäre keine/r von uns auf die Idee gekommen, dass es in der Gastro auch eine 40-Stunden-Woche geben könnte. Das war immer schon den Büromenschen vorbehalten. Zumindest dachten wir das.

Und was machen wir jetzt mit der Misere? Wer hat Recht und wie ist es nun wirklich in der Branche? Ich habe mich also umgesehen und von allem etwas gefunden.

Junge Leute in ihren Zwanzigern, die super motiviert und bereit sind, alles zu geben. Und solche, die dem Narrativ der faulen und nicht mehr belastbaren Nachwuchsgeneration gerecht werden. Ich habe mit Millenials gesprochen, die mindestens ein Burnout pro Jahr verzeichnen können und ich habe auch die Aussteiger gefunden. Die, die sich spätestens während oder nach der Pandemie vom Acker gemacht haben und in andere Branchen geflüchtet sind.

Das Orchester spielt bis zum Schluss

Ich habe auch mit denen gesprochen, die immer noch an die Branche glauben, selbst wenn die Titanic längst kollidiert ist mit dem Eisberg der gegenwärtigen Anforderungen. Wie eben gute Fachkräfte zu finden, ihnen ein ordentliches Gehalt auszubezahlen bei menschenfreundlichen Arbeitszeiten und den Betrieb am Laufen zu halten. Keine leichte Aufgabe.

Alle haben ihre Geschichten, ihre Erfahrungen und Sichtweisen. Jede/r hat Recht und auch nicht. So wie es immer ist. Die Medaille hat eben mindestens zwei Seiten. Wie das Ganze zu lösen ist, ist noch unklar.

Klar ist nur, dass die Work-Life-Balance längst fällig ist. Genauso wie zuckerfreie Torten, vegane Rindsrouladen und Weltfrieden.